Leitfaden Kartellrecht von Aluminium Deutschland e.V.

Die Unternehmen der Aluminiumindustrie ermöglichen mit ihren Werkstoffen und Produkten die Grundlagen und die Infrastruktur moderner Industriegesellschaften zu formen. Am Beginn der Wertschöpfungskette angesiedelt bilden sie die Basis der Wertschöpfung in Deutschland. Aluminium Deutschland e. V. (AD) ist die Plattform für eine aktive und vielfältige Verbandsarbeit und vertritt die gemeinsamen Anliegen der Unternehmen der Aluminiumindustrie. AD bekennt sich zu rechtmäßigem Handeln und richtet seine Arbeit strikt an der Vereinbarkeit mit deutschem, europäischem und internationalem Kartellrecht aus.

Der vorliegende Leitfaden dient dazu, die Einhaltung kartellrechtlicher Verhaltensvorschriften bei AD sicherzustellen. Der Leitfaden kann eine Prüfung kartellrechtlicher Fragestellungen im Einzelfall nicht ersetzen. Er soll insbesondere dazu dienen, das Bewusstsein für kartellrechtlich relevante Themen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von AD und der Mitgliedsunternehmen zu schärfen und bestimmte Verhaltensweisen festzulegen. Wir wollen damit allen Mitgliedern und Mitarbeitern im Verband Sicherheit und Orientierung geben. In Zweifelsfragen ist die AD-Geschäftsführung stets der richtige Ansprechpartner, die gegebenenfalls eine Prüfung und Klarstellung veranlasst.

AD stellt sicher, dass seine Mitgliedsunternehmen diesen Leitfaden erhalten um ihn denjenigen Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen, die aktiv in die Verbandsarbeit von AD eingebunden sind und an dieser teilnehmen.

I. Allgemeines zum Kartellverbot

Auf die Aktivitäten von AD ist sowohl deutsches als auch europäisches Kartellrecht anwendbar. Die Vorschriften unterscheiden sich inhaltlich praktisch nicht voneinander. Größere Abweichungen bestehen lediglich beim Verfahrensrecht. Sowohl nationales als auch europäisches Kartellrecht verbietet alle Vereinbarungen, Beschlüsse oder abgestimmten Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Dieses Kartellverbot ist in § 1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Art. 101 Abs. 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und in vielen anderen Rechtsordnungen geregelt.

Gegenstand von Kartellabsprachen sind fast immer Preise und/oder Absatzmengen. Ein Kartell setzt nicht unbedingt eine Vereinbarung voraus. Auch abgestimmte Verhaltensweisen gleichgültig, ob diese schriftlich, mündlich oder stillschweigend erfolgen, erfüllen das Kartellverbot, wenn damit eine Wettbewerbsbeeinträchtigung beabsichtigt ist. Unternehmen dürfen die Unsicherheit über das Marktverhalten ihrer Wettbewerber („Geheimwettbewerb“) nicht durch Absprachen oder abgestimmtes Verhalten beschränken. Der „Ort der Handlung“ ist völlig unbeachtlich. Wenn sich ein Kartell auf einem nationalen oder den europäischen Markt auswirkt, ist das jeweilige Kartellrecht auch anwendbar. Ob eine Kartellabsprache wirklich umgesetzt wird oder ob sich das vereinbarte Ziel tatsächlich einstellt, ist unerheblich. Schon die Verabredung einer Wettbewerbsbeschränkung ist verboten. Der Einwand, eine Kartellabsprache habe faktisch nichts bewirkt, ist daher grundsätzlich irrelevant.

Die Konsequenzen eines Kartellverstoßes für Unternehmen, Verbände und die han-delnden Personen sind hart. Nach deutschem Recht kann eine Geldbuße bis zu einer Million Euro gegen Personen verhängt werden. Nach deutschem und europäischem Recht können gegen Unternehmen Geldbußen in einer Höhe von bis zu 10% des im vorangegangenen Geschäftsjahr erzielten Jahresumsatzes des gesamten Unternehmensverbundes (Konzern) festgesetzt werden. Werden Wettbewerbsbeschränkungen im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung begangen (Submissionsabsprachen), können zudem Straftatbestände mit einem Strafrahmen von bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe erfüllt sein (§§ 298, 263 StGB). In vielen Rechtsordnungen (z. B. in den USA und in Großbritannien) werden Kartellverstöße grundsätzlich als Straftaten geahndet.

Daneben drohen Schadensersatzansprüche geschädigter Unternehmen, Ausschluss von Vergabeverfahren der öffentlichen Hand sowie ein Image- und Vertrauensverlust der handelnden Unternehmen und der Branche insgesamt.

II. Kartellrechtliche Regeln für die Arbeit von AD

1. Verbandssitzungen

1.1 Unzulässige Themen für AD-Gremiensitzungen

Auch Wettbewerbern ist es grundsätzlich erlaubt, die Marktsituation insbesondere auf der Einkaufsseite zu erörtern und allgemeine Brancheninformationen auszutauschen. Dieser Austausch darf jedoch nicht dazu führen, dass eine künstliche Markttransparenz erzeugt und der sogenannte „Geheimwettbewerb“ zwischen den beteiligten Unternehmen beeinträchtigt wird. Die nachfolgende – nicht abschließende – Liste enthält Themen, die innerhalb von AD im Rahmen oder am Rande von Gremiensitzungen keinesfalls angesprochen oder erörtert werden:

Produktpreise

  • Preisgestaltung, künftige Preisstrategien
  • Produktbezogene Auswirkungen von Kostensteigerungen auf die Preisgestaltung auf Produktebene, z. B.: Abstimmung über Weitergabe steigender Rohstoff-, Energie- oder Lohnkosten
  • Individuelle Verkaufs- und Zahlungsbedingungen, Rabatte, Teuerungszuschläge, Boni, etc.

Kunden/Lieferanten

  • Aufteilung von Märkten oder Bezugsgruppen
  • Individuelle Kundenbeziehungen
  • Zuweisung von Kunden zu bestimmten Lieferanten (z. B. sog. „Hoflieferanten“)
  • Mengenbeschränkungen oder Zuweisung bestimmter Lieferquoten
  • Boykotte oder Aufrufe zum Boykott

Unternehmenskennzahlen

  • Individuelle Kostenpositionen des Unternehmens, Kostenrechnungsformeln (produktbezogene Angaben zu Bezugskosten, Produktion, Lager-beständen, etc.)
  • Produktbezogene Abverkaufszahlen, Lieferzeiten

Zukünftiges Marktverhalten

  • Planungen zum Kapazitätsausbau oder Abbau, soweit dadurch Rück-schlüsse auf Produktebene möglich sind
  • Geplante Vorhaben in Bezug auf Forschung und Entwicklung, Investitio-nen, Produktion, Marketing oder Vertrieb

Alle vorgenannten Themen können nicht Gegenstand einer AD-Gremiensitzung sein. Die AD-Mitarbeiter sowie die Delegierten der Mitgliedsunternehmen prüfen die Tagesordnungen der Sitzungen entsprechend und sprechen in Zweifelsfällen die AD-Geschäftsführung an. Werden diese vorgenannten Themen in Form von „Spontanäußerungen“ berührt, greift das unter „Durchführung von AD-Gremiensitzungen“ beschriebene Verfahren.

1.2 Zulässige Themen für AD-Gremiensitzungen

Unternehmen dürfen im Rahmen von Verbandssitzungen grundsätzlich Informationen zu ihrem jeweiligen Themenkreis austauschen. Dazu gehören:

  • Informationen über Geschäftserwartungen des gesamten Unternehmens oder aggregierter Geschäftsbereiche, die keine Rückschlüsse auf die Marktstellung einzelner Produkte zulassen.
  • Allgemeine Konjunkturdaten.
  • Aktuelle Gesetzgebungsvorhaben und deren Folgen für die Gesamtheit der Mitgliedsunternehmen.
  • Allgemeiner Austausch von Daten, die frei zugänglich sind.

1.3 Vorbereitung von AD-Gremiensitzungen

AD lädt die Mitglieder des Gremiums rechtzeitig und offiziell, ggf. per Email, zu den Sitzungen ein. Für jede Gremiensitzung wird eine möglichst detaillierte Tagungsordnung erstellt. Die Verwendung allgemeiner Tagesordnungspunkte soll möglichst unterbleiben. Sollen Themen spontan erörtert werden, wird die Tagesordnung in der Sitzung ergänzt und die zusätzlichen Punkte im Protokoll festgehalten. Bei der Erstellung der Tagesordnung durch die AD-Mitarbeiter ist darauf zu achten, dass diese keine kartellrechtlich bedenklichen oder missverständlichen Tagesordnungspunkte enthält. Auch die Delegierten der Mitgliedsunternehmen prüfen die Tagesordnungen auf kartellrechtlich bedenkliche Punkte und sprechen in Zweifelsfällen die AD-Geschäftsführung an.

1.4 Durchführung von AD-Gremiensitzungen

Bei jeder AD-Gremiensitzung ist mindestens ein hauptamtlicher Vertreter von AD anwesend. In Abstimmung mit dem Sitzungsleiter achtet der AD-Vertreter auf die Einhaltung der Tagesordnung und erstellt ein Protokoll der Sitzung. Der Sitzungsleiter und der hauptamtliche AD-Vertreter stellen sicher, dass der Sitzungsverlauf entsprechend der Tagesordnung kartellrechtskonform durchgeführt wird. Nach dem Grundsatz „Compliance geht alle an“ achten auch alle Vertreter der Mitgliedsunternehmen, auf die Einhaltung der kartellrechtlichen Regeln.
AD „Denkzettel Kartellrecht“ gibt Hinweise zum Verhalten in den Sitzungen und wird den Teilnehmern zur Verfügung gestellt.

Wird in einer Sitzung ein (möglicherweise) kartellrechtlich relevantes Thema z.B. in Form einer Spontanäußerung berührt, wird die Fortführung dieses Themas unverzüglich abgebrochen. Bei Zweifelsfragen wird das Thema zurückgestellt und eine kartellrechtliche Prüfung über die AD-Geschäftsführung veranlasst. Das Thema wird nicht eher erörtert, bevor die kartellrechtliche Unbedenklichkeit festgestellt ist.

Abweichungen von der Tagesordnung werden im Protokoll festgehalten. Kartellrechtlich relevante Themen können nicht Gegenstand einer solchen Abweichung von der Tagesordnung sein. Auch hier gilt: Im Zweifelsfall wird das Thema zunächst kartell-rechtlich geklärt und – falls unbedenklich – bei der nächsten Sitzung auf die Tagesordnung gesetzt.

Alle Sitzungsteilnehmer sind verpflichtet kartellrechtliche Bedenken in einer Sitzung unverzüglich und offen anzusprechen. Werden kartellrechtlich problematische Themen daraufhin trotzdem weitergeführt, wird die Sitzung abgebrochen. Bricht der Sitzungsleiter die Sitzung nicht ab, ist es nicht ausreichend, sich an den Absprachen nicht zu beteiligen. Das Gesetz verlangt ein aktives und nachweisbares Distanzieren von dem kartellrechtswidrigen Verhalten, also ein im Protokoll vermerktes „Aufstehen und Gehen“. Der Widerspruch und der Zeitpunkt, zu dem der Sitzungsteilnehmer die Sitzung verlässt, müssen daher im Protokoll vermerkt werden.

1.5 Nachbereitung von AD-Gremiensitzungen

Von allen AD-Sitzungen werden eindeutig und klar formulierte Protokolle angefertigt, die den wesentlichen Inhalt sowie insbesondere die gefassten Beschlüsse wiedergeben. Die Protokolle werden an alle Teilnehmer der Sitzung verschickt. Die Sitzungsteilnehmer prüfen die Protokolle nach Erhalt auf korrekte Wiedergabe des wesentlichen Verlaufs der Sitzung und ihrer Beschlüsse. Gegebenenfalls weisen sie AD unverzüglich auf unvollständige oder falsche Protokollierungen hin und fordern eine Korrektur.

2. Marktinformationen / AD-Statistiken

AD bietet seinen Mitgliedern eine Reihe von Statistiken an. Zur Erstellung dieser Statistiken melden die teilnehmenden Unternehmen Daten an AD. AD behandelt diese Daten streng vertraulich und aggregiert sie in der Statistik in einer Form, die keine Rückschlüsse auf das individuelle Marktverhalten einzelner Mitgliedsunternehmen erlaubt. AD trägt dafür Sorge, dass die von ihm geführten Statistiken den rechtlichen Vorgaben entsprechen. Meldungen zur Statistik werden nur im Rahmen des dafür vorgesehenen Verfahrens entgegengenommen. Die Rückmeldungen erfolgen in anonymisierter Form. Nicht anonymisierte Statistiken werden nur erstellt, wenn diese Daten enthalten, die von den Unternehmen ohnehin veröffentlicht werden oder die keinen Rückschluss auf das Marktverhalten der Unternehmen erlauben. Ist eine solche Anonymisierung, beispielsweise aufgrund der Änderung in der Struktur der meldenden Unternehmen (z.B.: Verringerung der Anzahl der meldenden Unternehmen), nicht mehr gewährleistet, wird AD die Statistiken anpassen.

3. AD-Kommunikation

AD stellt sicher, dass seine Positionspapiere und Pressemitteilungen keine Formulierungen enthalten, die gewollt oder ungewollt auf Absprachen, abgestimmtes Verhalten oder entsprechende Empfehlungen von AD zu Wettbewerbs beschränkendem Verhalten hindeuten. AD spricht keine Empfehlungen in Bezug auf das Marktverhalten der Mitgliedsunternehmen aus. AD empfiehlt Mitgliedsunternehmen insbesondere nicht, wie sie mit Kostensteigerungen oder Preisgestaltungen umgehen sollten.

4. AD-Normen und Standards

AD erarbeitet Normen und Standards. AD prüft die rechtlichen Rahmenbedingungen ihrer technischen Empfehlungen und stellt deren Vereinbarkeit mit dem Kartellrecht sicher. Die Erarbeitung von Normen und Standards erfolgt in einem offenen, transparenten und nicht diskriminierenden Verfahren.

5. AD-Mitgliedschaft

AD hat die Voraussetzungen einer Mitgliedschaft in ihrer Satzungen geregelt. Unternehmen, die die satzungsmäßigen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft erfüllen, werden als Mitglieder aufgenommen. Ausnahmen von den Regelungen in der Satzung handhabt AD diskriminierungsfrei.

Bei Fragen zu diesem Verhaltenskodex oder sonstigen kartellrechtlichen Fragen ist die AD-Geschäftsführung ansprechbar. Alle Mitgliedsunternehmen sind aufgerufen, kartellrechtlich relevante Fragen offen gegenüber der AD-Geschäftsführung anzusprechen und für eine Klärung zu sorgen.

Leitfaden Kartellrecht (PDF)